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Arad Dabiri - 4 - NULLKOMMAVIER! (tired)
3 November 2024
Ich kann nicht mehr. Also, wirklich nicht. Die Stadt ist schön, ja, natürlich, klein, ja, natürlich, teuer, ja, natürlich. Ich mag es hier, ja, wirklich, natürlich. Aber dieser Kreislauf zerrt an den Kräften, jeden Abend das Bier, jeden Morgen wenig Schlaf und viel Schreiben. Irgendwie aber gleicht das dann ja doch meinem Alltag in Wien, das mit der Sauf-Schreib-Balance.
Aber was muss, das muss.
Rein in den Kampf.
Instant Kaffee, kleiner Beutel, in die Tasse, heißes Wasser.
Ekelhaft.
Aber effektiv.
Und jetzt schnell schreiben.
Aber fehlen mir die Worte.
Bret ist still, hat die Augen verschlossen, liegt auf seiner Seite des Betts, ich am Schreibtisch. Nervig, wie er zu jedem Scheiß etwas zu sagen hat, aber jetzt nicht. Wo ich ihn doch brauche.
»Praxis.«
Dann also doch.
»Was meinst du?«
»Alles ist Praxis.«
Rote Augen, Bier liegt schief im Magen, noch immer, und heute schon wieder. Aber er erzählt mir was von Praxis.
»Was soll mir das bringen?«
Er setzt sich auf, sieht mich endlich an.
»Innere Ruhe.«
Seit wann ist er so esoterisch?
»Was für innere Ruhe, ich muss diesen scheiß Text hier fertigkriegen.«
Er lässt sich wiederum nicht aus der Ruhe bringen.
Ich bin auf Hundertachtzig, der Puls steigt, der Kater tut weh.
»Bret, was ist jetzt?«
»Jammer nicht, sondern nutze die Gelegenheit. Das ist, was ich sage. Du liegst meistens nur herum, verkatert, weinerlich, schreibst drei Zeilen, und denkst, du wärst der Größte. Das hier aber ist dein Job. Kontinuität. Bald bin ich nicht mehr da. Dann musst du alleine klarkommen.«
Bret und ich.
Bald nicht mehr.
Und ich alleine.
»Bret, unsere Reise ist fast vorbei.«
Er steht am Fenster, sieht in die wenigen, beleuchteten Hochhäuser.
»Bald brauchst du mich nicht mehr.«
»Und das ist?«
»Das, was wir wollen.«
Selbstständigkeit. Ich bin genug. Auch ohne Bret. Er war Mittel zum Zweck, emotionale Stütze in Zeiten der Krise. Wenn er weg ist, merke ich, wer ich bin. Denn ich bin genug.
Er dreht sich dann doch noch zu mir um.
»Wirst du mich vermissen?«
Kurz nachdenken.
Aber ja.
Ich werde ihn vermissen.
»Klar.«
»Keine Sorge.«
»Hm?«
»Du bist verrückt, so wie ich.«
Danke?
»Also bleibe ich in deinem Kopf, mal mehr, mal weniger. Auch nach dieser Geschichte hier.«
Er bleibt bei mir.
Und dann sitzen wir in der Hotellobby, nachts, wieder nüchtern, weil man uns keine Drinks mehr verkauft, und wir werden schwer, kommen nicht aus unseren Sitzen, wollen vielleicht doch nicht aufstehen, weggehen, sondern nur einmal irgendwo bleiben, sich nicht ständig bewegen, sondern zu Ruhe kommen, Glieder entspannen, einfach nichts tun.
Ja, genau.
Bald ist es vorbei.
Komm schon.
Noch einen Text.
Und dann noch einen.
Und dann ist es vorbei.
Und Bret ist weg.
Und ich bin frei.
WAT HEEFT DIT VERHAAL GEÏNSPIREERD?
Meer van Arad Dabiri en Lotte Lentes
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